GEFÜHLT. GEDACHT. GESCHRIEBEN.
Meine Kolumne
Hier schreibe ich über den Alltag, das Leben, die Familie und das Leben dazwischen. Ungefiltert und ohne Auftrag. Gedanken, die raus wollen – Worte, die ihren Weg in Sätze finden.
FOMO mit 43 – echt jetzt?
Der Tanztempel mit dem illustren Namen Zukunft, wo sich die Gegenwart unter den Discokugeln stets anfühlte, als gäbe es kein Morgen, schloss seine Tore. Einer der legendärsten Clubs der Stadt schloss nach 20 Jahren dauerhaft – und ich hatte es verpasst. Die Schliessung war absehbar, ich hatte davon gelesen. Aber dieses letzte Wochenende, das ging komplett an mir vorbei. Wo also war ich, als die halbe Stadt den Klängen eines Stadtzürcher Chors und den Reimen von EKR lauschte? Als «Willkomme in Züri», ein Song, den selbst meine Kids seit Jahren mitsangen, durch die Gassen hallte? Ich. War. Zu. Hause.
Ob ich überhaupt hingegangen wäre? Ich weiss es nicht. Eine harte Woche, Kinderprogramm am Nachmittag – ich war erledigt. Doch was sich sonst mittlerweile einigermassen ok anfühlte, glich plötzlich wieder dem Gefühl von damals auf dem Pausenplatz, wenn alle über einen Film sprachen, den ich nicht gesehen hatte. Ich glaubte mir und meinen Emotionen selbst nicht; meine vermeintlich überwundene FOMO, also meine “Fear of missing out”, erwischte mich kalt. Unzählige Instagram-Posts und Medienberichte füllten meine Feeds und die Algorithmen aller digitaler Portale schienen mich noch wochenlang mit Fotos und Berichten dieser ikonischen Nacht zu verspotten. Warum meldete sich meine Angst, etwas zu verpassen, plötzlich wieder? Die durchtanzten Nächte, die szenigen Presseeinladungen und das Dabeiseinwollen hatte ich doch hinter mir gelassen. Ich war keine Mittdreissigerin mehr und zufrieden in meinem Leben als Frau und Mutter, mit meiner kleinen Karriere, die mich erfüllte. Und ausserdem, hip war ich sowieso noch nie. Wo also lag mein Problem?
Vielleicht wollte ich mich einfach wieder mal jung fühlen? Nicht an die Zukunft (ach, wie sinnbildlich) denken. Denn diese Jahre mit zwei Kindern, in denen das Leben zwischen Job und Familie einem Marathon ohne Ziel glich, diese Jahre sind länger, als man beim blauen Plus auf dem Schwangerschaftstest jemals erahnen könnte. Und wenn dann noch die ersten Hormonumstellungen anklopften, dann wurde unweigerlich klar, dass diese unbeschwerten Zeiten der Vergangenheit angehörten. Ständig unterwegs zu sein, das will und kann ich gar nicht mehr. Doch ab und zu, wenn eine legendäre Nacht wie diese anstand, dann möchte ich dabei sein. Und einfach nur tanzen, ohne an morgen zu denken. Oder mich zumindest bewusst dagegen entscheiden. Denn auch das ist mittlerweile völlig in Ordnung.